Die Architektur Irans, reich an Geschichte und kultureller Vielfalt, ist für viele ein offenes Buch voller faszinierender Geschichten. Doch während Palastruinen wie Persepolis und farbenprächtige Moscheen in Isfahan das Bild persischer Baukunst dominieren, bleibt ein anderes Kapitel oft unbeachtet: die Architektur nomadischer Kulturen. Hier taucht eine Welt auf, in der Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und die enge Verbundenheit mit der Natur die prägenden Elemente sind.
“Nomad: Architecture & Urbanism of Nomadic Cultures”, herausgegeben von iranischen Architekten und Anthropologen, lädt uns ein, genau diesen faszinierenden Lebensraum zu entdecken. Dieses Buch ist kein klassischer Architekturführer, der monumentale Gebäude in all ihrer Pracht präsentiert. Vielmehr handelt es sich um eine tiefgründige Erkundung der Lebensweise nomadischer Völker Irans, der Türkei, des Kaukasus und Zentralasiens, deren architektonisches Erbe eng mit ihren Bedürfnissen und Traditionen verwoben ist.
Traditionelle Materialien und innovative Lösungen:
Der Leser begegnet einer bunten Palette traditioneller Materialien wie Filz, Leder, Holz und Schafswolle, die zu raffinierten Konstruktionen verarbeitet werden. Ziegenhaarzelte, wie die “Qazvin” Zelte der persischen Bakhtiari Nomaden, sind nicht nur Schutz vor Sonne und Wind, sondern auch Ausdruck kultureller Identität und handwerklicher Virtuosität.
Das Buch beleuchtet die unterschiedlichen Wohnformen nomadischer Kulturen - von den transportablen Jurten der zentralasiatischen Steppennomaden bis zu den komplexen Zeltstädten, die bei saisonalen Wanderungen entstehen. Hier werden wir Zeuge faszinierender Anpassungsstrategien: Die “Gers” der mongolischen Nomaden, beispielsweise, sind kuppelförmige Zelte, deren Konstruktion ein perfektes Gleichgewicht zwischen Stabilität und Mobilität gewährleistet.
Mehr als nur Unterkünfte:
Die Architektur nomadischer Kulturen beschränkt sich nicht auf die reine Funktionalität von Behausungen. Die Autoren zeigen auf, wie religiöse Praktiken, soziale Strukturen und künstlerische Ausdrucksformen in die architektonische Gestaltung einfließen.
Ein Beispiel dafür sind die kunstvoll bestickten Teppiche, die den Boden nomadischer Zelte zieren und Geschichten aus der Familiengeschichte, mythologische Erzählungen oder symbolische Muster transportieren. Auch die Musik spielt eine wichtige Rolle im Leben nomadischer Völker: In “Nomad” werden die traditionellen Musikinstrumente dieser Kulturen vorgestellt und ihre Verbindung zur Architektur beleuchtet – beispielsweise durch Beschreibungen der Akustik in Zelten, die für musikalische Darbietungen optimiert sind.
Ein visueller Genuss:
Das Buch ist reich illustriert mit Fotografien von renommierten Fotografen, Zeichnungen traditioneller Muster und Plänen nomadischer Siedlungen. Die Gestaltung des Buches selbst spiegelt den Geist der Nomadentradition wider: Es ist ein kompaktes und handliches Werk, das man leicht auf Reisen mitnehmen kann – ein Fitting Tribute an die Flexibilität und Mobilität, die den Kern dieser Kultur ausmachen.
Architekturtyp | Region | Besonderheiten |
---|---|---|
Ziegenhaarzelte (Qazvin) | Iran (Bakhtiari Nomaden) | Handgewebte Zelte mit kunstvollen Mustern, die Schutz vor Sonne und Wind bieten. |
Gers | Zentralasien (mongolische Nomaden) | Kuppel Zelte aus Filz, bekannt für ihre Stabilität und Mobilität. |
Jurten | Kaukasus | Runde, transportable Zelte, oft mit bemalten Holzelementen verziert. |
“Nomad: Architecture & Urbanism of Nomadic Cultures” ist eine inspirierende Reise durch die vergessene Welt der nomadischen Architektur. Es fordert uns heraus, über konventionelle Vorstellungen von Architektur und Raum hinaus zu denken und zeigt auf, wie Kultur, Natur und Lebensweise in harmonischen Zusammenspiel stehen können.
Die Leserin oder der Leser wird mit einem neuen Verständnis für die Schönheit und Weisheit traditioneller Bauweisen belohnt und gleichzeitig zum Nachdenken über den Stellenwert von Mobilität und Flexibilität in unserer heutigen Gesellschaft angeregt.